Seit 1979 arbeite ich in meinem Atelier in der Ostparkstraße in Frankfurt am Main mit Lust am Experiment, mit Disziplin und Konzentration. Ich bin glücklich, wenn ich morgens mein sehr helles, sonniges Atelier betrete und meine Skulpturenfamilie wachsen sehe. Davon haben einige große Skulpturen ihren Platz im öffentlichem Raum gefunden.
Seit 40 Jahren baue ich große, kleine und monumentale Bronzen. Es sind immer Frauen, keine Selbstbildnisse, manchmal auch Fragmente, Köpfe, Ganzkörper. Oft sind es Modelle aus der Familie, Töchter, Enkelin, Freunde oder Menschen, die mir nahe sind, die mich inspirieren. Immer ist es der Mensch und dessen Ausstrahlung, die mein Interesse erwecken. Es sind keine realistischen Abbildungen, sondern eingefangenes Leben, Sinnlichkeit und Grazie. Wenn es mir gelingt, Zeitlosigkeit in der Skulptur zu gestalten, überrascht es mich oder andere Betrachter. Bis ich selbst überzeugt bin, vergeht eine Weile.
Über die Zeichnungen konkretisiere ich die Form, baue dann schnell und flüssig ein Modell, früher in Ton, Wachs und jetzt hauptsächlich in Gips. Gips ist eine große Herausforderung, dabei spielen Zufälle mit. Es braucht Zeit, Geduld, immer wieder beobachten, auf- und abtragen. Ein großes Vorbild und Anregung erfuhr ich vor zehn Jahren durch das Werk des Schweizer Bildhauers Hans Josephsohn.
2017 war es wieder so weit: Ich entschloss mich, eine große Skulptur zu bauen, sie sollte überlebensgroß werden. Der Anlass: ich bin 1939 geboren und im 80. Lebensjahr. Im Januar machte ich mich an die Arbeit. Es entstand erst ein kleines Modell. Das große Modell sollte die Maße 165 x 105 x 105 cm haben, überlebensgroß und für den öffentlichen Raum bestimmt sein. Über ein Eisengerüst baute ich einen Kern aus Styropor, trug Gipsplatten mit flüssigem Gips auf. Es waren viele Zentner Material, ich schlug mit dem Beil oft einiges weg, baute geduldig wieder auf, und nach fünf Monate langem Ringen entschied ich: Die Arbeit ist fertig. Der Titel: Grosse Frau – ein Fels.
Es gab keine andere Wahl, die Form musste gegossen werden. Um sie aus dem Atelier herauszubringen, wurde sie an Ort und Stelle von meinem Former im Atelier an mehreren Tagen in Silikon abgeformt. Anschließend entstand in der Gießerei ein Wachsmodell, das von mir retuschiert wurde. Sechs Teile wurden in einer Gips-Schamott-Mischung eingeformt, ausgeschmolzen und tagelang im Ofen getrocknet. Viele Zentner Bronze verbrauchte die getrocknete Form. Nach dem Auspacken und Abstrahlen wurden die Teile sauber zusammengeschweißt, anschließend tiefschwarz patiniert.
Ich bin immer hautnah an den Prozessen des Handwerks interessiert. Die zerklüftete Oberfläche wird durch die tiefschwarze Patina unterstrichen, und der extra hohe Sockel von einem Meter gibt der Figur Große Frau – ein Fels eine gute Aura. Dies ist sicher nicht meine letzte große Arbeit!
Neben dieser Arbeit entstanden neue kleinere Arbeiten: rauer, abstrakter, mit schwarzer Patina und mit Ölfarbe/Gold. So hat sich durch neues Arbeitsmaterial seit zehn Jahren mein bildhauerisches Werk verändert, dabei spielt Zeit keine Rolle. Zeitlosigkeit ist mir wichtig, und ein wunderbares Glücksgefühl ist es, meine Bestimmung gefunden zu haben. Ich wünsche mir, dass es weiter geht im PROZESS. Ich suche und ich finde.
Wanda Pratschke
englische Version: